Du spielst mit dem Gedanken, Hühner bei dir zu Hause einziehen zu lassen? Eine wunderbare Idee! Eigene Eier, frisches Fleisch und das Beobachten der munteren Tiere – Hühnerhaltung ist ein bereicherndes Hobby. Doch bevor du startest, gibt es einiges zu beachten. Damit dein Hühnertraum nicht zum Albtraum wird, habe ich dir hier einen umfassenden Leitfaden von A bis Z zusammengestellt.
- Der erste Schritt: Genehmigungen und Meldepflichten in Baden-Württemberg
Bevor du auch nur ein Huhn kaufst, ist es unerlässlich, dich über die gesetzlichen Bestimmungen in Baden-Württemberg zu informieren. Ignoranz schützt hier nicht vor Strafe!
- Veterinäramt: Die wichtigste Anlaufstelle ist das zuständige Veterinäramt deines Landkreises. Egal ob du nur ein paar Hühner für den Eigenbedarf halten möchtest oder eine größere Zucht planst: Die Haltung von Hühnern ist meldepflichtig! Du musst den Beginn der Haltung, die Anzahl der Tiere und den Standort der Tiere melden. Auch Änderungen im Bestand oder eine Aufgabe der Haltung sind mitzuteilen. Dies dient der Seuchenprävention, insbesondere im Hinblick auf die Vogelgrippe.
- Tierseuchenkasse: Alle Hühnerhalter in Baden-Württemberg sind gesetzlich verpflichtet, ihre Tiere bei der Tierseuchenkasse Baden-Württemberg anzumelden. Auch hier spielt die Seuchenprävention eine zentrale Rolle. Die Beiträge sind meist gering und richten sich nach der Anzahl der Tiere. Im Falle eines Seuchenausbruchs können dir Leistungen aus der Tierseuchenkasse zustehen.
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In Baden-Württemberg musst du eine landwirtschaftliche Betriebsnummer beantragen, wenn du Hühner halten möchtest. Diese wird von den zuständigen Veterinärämtern der Landkreise vergeben. Die Tierhaltung muss zudem beim zuständigen Veterinäramt (Landratsamt oder Stadtverwaltung bei großen Kreisstädten) gemeldet werden.
- Baurecht: Auch das Baurecht kann eine Rolle spielen. Wenn du einen neuen Stall bauen möchtest, informiere dich bei deinem Bauamt, ob eine Baugenehmigung erforderlich ist. Dies hängt von der Größe und Bauart des Stalles ab. Bei kleineren Gartenställen für den Eigenbedarf ist oft keine Genehmigung nötig, aber es ist immer besser, auf Nummer sicher zu gehen.
- Nachbarschaftsrecht: Auch wenn es keine expliziten Gesetze gibt, die die Anzahl der Hühner in einem Wohngebiet regeln, solltest du unbedingt Rücksicht auf deine Nachbarn nehmen. Dazu später mehr.
- Der Hühnerstall: Das Zuhause deiner gefiederten Freunde
Der Stall ist das Herzstück der Hühnerhaltung. Er muss deinen Tieren Schutz vor Wetter, Fressfeinden und Krankheiten bieten.
- Gesetzliche Mindestmaße (Orientierung): Es gibt keine starren gesetzlichen Mindestmaße für die Stallgröße für Hobbyhühner in Baden-Württemberg, wie es sie beispielsweise in der gewerblichen Landwirtschaft gibt. Als grobe Orientierung kannst du aber folgende Werte zugrunde legen, um deinen Hühnern ein artgerechtes Leben zu ermöglichen:
- Sitzstangen: Plane pro Huhn mindestens 20 cm Sitzstangenlänge ein. Die Stangen sollten abgerundete Kanten haben und im Durchmesser so sein, dass die Hühner sie gut umgreifen können (ca. 4-5 cm). Achte auf verschiedene Höhen, damit die Rangordnung der Hühner berücksichtigt wird.
- Nester: Pro 3-5 Hennen solltest du ein Legenest einplanen. Die Nester sollten dunkel, sauber und mit weichem Material (Stroh, Heu) ausgelegt sein.
- Stallgrundfläche: Als Faustregel gilt: Pro Huhn mindestens 0,5 qm Stallfläche, besser 1 qm, wenn sie keinen permanenten Auslauf haben. Je mehr Platz, desto wohler fühlen sich die Hühner und desto geringer ist das Risiko von Verhaltensstörungen und Krankheiten.
- Materialien: Holz ist ein beliebtes Material für Hühnerställe, da es atmungsaktiv ist. Achte auf glatte, leicht zu reinigende Oberflächen, um die Hygiene zu gewährleisten und Parasiten keine Versteckmöglichkeiten zu bieten.
- Belüftung: Eine gute Belüftung ist entscheidend! Sie sorgt für frische Luft, führt Feuchtigkeit und Ammoniakdämpfe ab und beugt Atemwegserkrankungen vor. Vermeide Zugluft, aber sorge für einen stetigen Luftaustausch, z.B. durch Lüftungsschlitze oder einstellbare Fenster.
- Beleuchtung: Hühner benötigen Licht zum Legen und für ihr Wohlbefinden. Im Stall ist Tageslicht über Fenster wünschenswert. In den Wintermonaten kann eine zusätzliche Beleuchtung (10-14 Stunden Licht pro Tag) die Legeleistung positiv beeinflussen. Eine einfache Glühlampe reicht hier meist aus. Achte auf eine Zeitschaltuhr, um einen festen Tag-Nacht-Rhythmus zu etablieren.
- Einstreu: Eine dicke Schicht Einstreu (Hobelspäne, Stroh, Hanfstreu) im Stall ist wichtig. Sie nimmt Feuchtigkeit auf, bindet Gerüche und bietet den Hühnern eine Beschäftigung. Regelmäßiges Nachstreuen und bei Bedarf eine Komplettreinigung des Stalles sind unerlässlich.
- Reinigung: Der Hühnerstall muss regelmäßig gereinigt werden, um Krankheiten und Parasitenbefall vorzubeugen. Entferne täglich Kot von den Sitzstangen und wechsle die Einstreu bei Bedarf. Eine Grundreinigung mit Desinfektion sollte mehrmals im Jahr erfolgen.
- Der Auslauf: Platz zum Scharren und Picken
Hühner lieben es, draußen zu sein, zu scharren, nach Insekten zu suchen und ein Sandbad zu nehmen. Ein ausreichend großer und sicherer Auslauf ist daher unerlässlich.
- Größe: Je mehr Auslauf deine Hühner haben, desto besser. Als Richtwert kannst du 10-20 qm pro Huhn ansetzen. Wenn der Platz begrenzt ist, sorge für Beschäftigungsmöglichkeiten im Auslauf, z.B. durch Baumstämme, Äste oder eine Sandbadestelle.
- Sicherung: Der Auslauf muss sicher eingezäunt sein, um deine Hühner vor Fressfeinden (Marder, Fuchs, Greifvögel) zu schützen.
- Volierendraht: Hier scheiden sich die Geister. Ein einfacher Maschendrahtzaun (Gartenzaun) reicht meist nicht aus. Besser ist ein stabiler Volierendraht oder ein Draht mit einer Maschenweite von maximal 2×2 cm. Wichtig ist, dass der Draht stabil ist und auch von unten (ca. 30-50 cm tief) in den Boden eingelassen oder mit Steinplatten gesichert wird, um ein Untergraben durch Fressfeinde zu verhindern. Eine Übernetzung des Auslaufs schützt vor Greifvögeln.
- Elektrozaun: Für zusätzlichen Schutz kann ein Elektrozaun um den Auslauf herum sinnvoll sein.
- Gestaltung: Biete deinen Hühnern im Auslauf Schattenplätze (Bäume, Sträucher, Sonnensegel) und die Möglichkeit für ein Sandbad. Ein Sandbad ist wichtig für die Gefiederpflege und hilft bei der Bekämpfung von äußeren Parasiten.
- Futter und Wasser: Die Basis für gesunde Hühner
Eine ausgewogene Ernährung ist entscheidend für die Gesundheit, Legeleistung und das Wohlbefinden deiner Hühner.
- Futtermittel:
- Alleinfuttermittel: Die Grundlage der Fütterung sollte ein hochwertiges Alleinfuttermittel für Legehennen sein, das alle wichtigen Nährstoffe, Vitamine und Mineralien enthält. Achte auf die Zusammensetzung und passe sie dem Alter und der Legeleistung deiner Hühner an.
- Getreide: Du kannst zusätzlich Getreide (Weizen, Gerste, Mais) anbieten, aber nur in Maßen, da es den Proteingehalt der Gesamtration senken kann.
- Grünfutter: Hühner lieben frisches Grün! Gib ihnen Zugang zu Gras, Kräutern, Salatresten oder gesammeltem Wildkraut.
- Mineralien und Grit: Muschelgrit ist unerlässlich für eine stabile Eierschale und die Verdauung. Biete es in einem separaten Behälter an. Auch ein Mineralstein oder spezielles Mineralfutter kann sinnvoll sein.
- Küchenabfälle: Kleine Mengen geeigneter Küchenabfälle (Gemüse, Obst, gekochte Nudeln) sind eine willkommene Ergänzung, aber keinesfalls die Hauptnahrung. Vermeide gesalzene, gewürzte oder stark zuckerhaltige Speisen.
- Futtertröge: Wähle Futtertröge, die leicht zu reinigen sind und das Futter vor Verunreinigungen schützen. Es gibt verschiedene Modelle:
- Stehende Futtertröge: Achte auf eine Bauweise, die das Herausscharren des Futters minimiert.
- Silo-Futterautomaten: Diese sind praktisch, da sie Futter für mehrere Tage bevorraten und so Futterverluste durch Nässe oder Schädlinge reduzieren.
- Futtertonnen: Um größere Mengen Futter trocken und schädlingssicher zu lagern, sind verschließbare Futtertonnen aus Kunststoff oder Metall ideal.
- Tränken: Frisches, sauberes Wasser muss den Hühnern immer zur Verfügung stehen.
- Stülptränken: Diese sind weit verbreitet und gut zu reinigen.
- Nippeltränken: Besonders hygienisch, da das Wasser nicht verschmutzt werden kann.
- Achte auf Hygiene: Reinige die Tränken täglich gründlich, um die Verbreitung von Keimen zu verhindern. Im Winter musst du Maßnahmen ergreifen, um ein Einfrieren des Wassers zu verhindern (Heizplatte, spezielle Heizstäbe).
- Gesundheit und Wohlbefinden: Achte auf deine Hühner
Gesunde Hühner sind glückliche Hühner! Achte aufmerksam auf Veränderungen im Verhalten oder Aussehen deiner Tiere.
- Tierarzt: Suche dir bereits vor dem Kauf deiner Hühner einen Tierarzt in deiner Nähe, der Erfahrung mit Geflügel hat.
- Pflichtimpfung gegen die Newcastle-Krankheit (atypische Geflügelpest): Ganz wichtig! In Deutschland, und somit auch in Baden-Württemberg, ist die Impfung gegen die Newcastle-Krankheit (auch atypische Geflügelpest genannt) für alle Hühner und Puten gesetzlich vorgeschrieben, unabhängig von der Anzahl der Tiere. Diese Impfung muss regelmäßig (alle 6-8 Wochen) mit dem Trinkwasser oder durch eine Injektion durchgeführt werden. Dein Tierarzt oder der örtliche Geflügelzuchtverein kann dich hierzu beraten und die notwendigen Impfstoffe bereitstellen. Die Einhaltung der Impfpflicht ist entscheidend, um die Ausbreitung dieser hochansteckenden und tödlichen Krankheit zu verhindern und dich vor hohen Strafen zu schützen. Sprich unbedingt mit deinem Veterinäramt über die genauen Vorschriften und Intervalle in deiner Region.
- Weitere Impfungen: Sprich mit deinem Tierarzt über weitere empfohlene Impfungen, z.B. gegen Marek.
- Parasiten:
- Rote Vogelmilbe: Die Rote Vogelmilbe ist der Albtraum jedes Hühnerhalters. Sie ist nachtaktiv und saugt Blut, was zu Juckreiz, Blutarmut und Leistungsabfall führen kann.
- Vorbeugung: Regelmäßige Stallreinigung, Kontrolle der Sitzstangen und Ritzen. Kieselgur (Diatomeenerde) kann präventiv ausgestreut werden und wirkt physikalisch gegen die Milben.
- Bekämpfung: Bei Befall müssen Stall und Hühner behandelt werden. Es gibt verschiedene Mittel, z.B. auf Basis von Kieselgur, Neemöl oder chemische Präparate (vom Tierarzt verschreiben lassen!).
- Federlinge und Läuse: Diese äußeren Parasiten leben auf den Hühnern und ernähren sich von Hautschuppen und Federn. Ein Sandbad hilft den Hühnern, sich selbst zu reinigen. Bei starkem Befall müssen die Hühner behandelt werden.
- Hygiene: Sauberkeit ist das A und O! Regelmäßige Reinigung von Stall, Tränken und Futtertrögen minimiert das Risiko von Krankheiten und Parasitenbefall.
- Stress vermeiden: Stress schwächt das Immunsystem der Hühner. Sorge für ausreichend Platz, Rückzugsmöglichkeiten und eine stabile Gruppengröße.
- Nachbarschaftsfrieden: Hühnerhaltung in Harmonie
Hühnerhaltung in Wohngebieten kann zu Konflikten mit Nachbarn führen, wenn nicht frühzeitig auf Kommunikation und Rücksichtnahme gesetzt wird.
- Lärmbelästigung: Das Krähen eines Hahns kann (muss aber nicht) als Lärmbelästigung empfunden werden. Wenn du einen Hahn halten möchtest, sprich unbedingt vorher mit deinen Nachbarn. Es gibt auch „Soft-Hähne“ oder du kannst den Hahn nachts in einem schallgedämmten Stall unterbringen, sodass er erst nach einer bestimmten Uhrzeit aus dem Stall gelassen wird. Hennen sind deutlich leiser, aber auch ihr Gackern kann unter Umständen wahrgenommen werden.
- Geruch: Ein sauberer Hühnerstall riecht kaum. Achte auf eine gute Belüftung, regelmäßige Reinigung und ausreichend Einstreu, um Geruchsbelästigung zu vermeiden.
- Fliegen: Bei guter Hygiene und ordnungsgemäßer Entsorgung des Mistes ist eine übermäßige Fliegenpopulation kein Problem.
- Gespräch suchen: Der beste Weg, Konflikte zu vermeiden, ist das offene Gespräch. Informiere deine Nachbarn über dein Vorhaben, zeige ihnen deinen Stall und lade sie auf ein frisches Frühstücksei ein. Verständnis und Entgegenkommen sind hier Gold wert.
- Zucht: Wenn es mehr als nur Eier sein sollen
Wenn du mit der Zucht beginnen möchtest, kommen weitere Aspekte hinzu:
- Bruteier: Du benötigst befruchtete Eier, entweder von eigenen Hühnern mit Hahn oder von einem Züchter.
- Brutmaschine oder Glucke: Du kannst die Eier entweder von einer brütigen Glucke ausbrüten lassen oder eine Brutmaschine verwenden. Bei der Brutmaschine ist es wichtig, die Temperatur und Luftfeuchtigkeit genau zu kontrollieren.
- Kükenaufzucht: Geschlüpfte Küken benötigen eine Wärmequelle (Wärmelampe oder Heizplatte) und spezielles Kükenstarterfutter. Sie müssen vor Zugluft und Kälte geschützt werden.
- Rassenwahl: Informiere dich über verschiedene Hühnerrassen. Es gibt Legerassen, Fleischrassen und Zweinutzungsrassen. Achte auf die Rassemerkmale, Temperament und ob die Rasse für Anfänger geeignet ist.
- Geflügelzuchtverein/Kleintierzuchtverein: Ein Beitritt zu einem lokalen Geflügelzucht- oder Kleintierverein kann sehr hilfreich sein. Dort findest du erfahrene Züchter, die dir mit Rat und Tat zur Seite stehen, und kannst Kontakte knüpfen.
- Allgemeine Tipps für glückliche Hühnerhalter
- Beobachte deine Tiere: Verbringe Zeit mit deinen Hühnern und beobachte ihr Verhalten. So erkennst du schnell, wenn etwas nicht stimmt.
- Sauberkeit geht vor: Eine gute Hygiene ist der beste Schutz vor Krankheiten und Parasiten.
- Vorsorge ist besser als Nachsorge: Kümmere dich präventiv um die Gesundheit deiner Tiere und sorge für gute Haltungsbedingungen.
- Geduld und Lernbereitschaft: Hühnerhaltung ist ein Lernprozess. Sei geduldig und lerne aus deinen Erfahrungen.
- Viel Spaß! Die Hühnerhaltung ist ein wunderbares Hobby. Genieße die Zeit mit deinen gefiederten Freunden und freue dich über frische Eier aus eigener Produktion!
Ich hoffe, dieser ausführliche Bericht hilft dir bei deinen ersten Schritten in die Welt der Hühnerhaltung in Baden-Württemberg! Viel Erfolg und Freude mit deinen zukünftigen Hühnern!
Rainer Salzer